Vor mehr als einem halben Jahr hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass grundsätzlich auch Menschen mit Behinderung, die bei Angehörigen leben und Grundsicherung beziehen, Anspruch auf den vollen Regelsatz haben. Obwohl inzwischen die ausführlichen schriftlichen Entscheidungsgründe zu den Urteilen des Bundessozialgerichtes vorliegen, wird diese Entscheidung derzeit von den Sozialbehörden jedoch noch nicht umgesetzt, sondern weiterhin nur der verminderte Betrag der Regelbedarfsstufe 3 ausgezahlt.

Vor vier Jahren hatte Sigmar Gabriel (damals noch aus der Opposition heraus) versichert, dass er „das Ziel des vollen Regelsatzes als unumstößlich vereinbart“ ansieht und dass „die Verzögerung der Ausführung … nicht hinnehmbar“ sei. Siehe auch Anfragen bei abgeordnetenwatch: http://www.abgeordnetenwatch.de/sigmar_gabriel-778-78116–f430397.html#q430397

Die Verzögerung wird damit begründet, dass eine Verwaltungsanweisung von Seiten des BMAS an die Grundsicherungsämter erlassen werden soll, wie mit der Entscheidung umzugehen ist. Siehe auch die Infos der Lebenshilfe: http://www.lebenshilfe.de/de/themen-recht/artikel/Urteilsgruende-zur-Regelbedarfsstufe-3.php
Durch ein weiteres Rundschreiben des BMAS – http://www.harald-thome.de/media/files/BMAS-Rundschreiben-2014_7(a).pdf wird jedoch gleichzeitig deutlich, dass Widersprüche fristgerecht zu bearbeiten und Untätigkeitsklagen nach Ablauf der Fristen zulässig sind.

Nachdem inzwischen auch die ausführlichen schriftlichen Entscheidungsgründe zu den Urteilen des Bundessozialgerichtes vorliegen und die Urteile des BSG nach dem seit 2011 (und bis heute) geltenden Recht gesprochen wurden, gibt es eigentlich keinen Grund mehr zu weiteren Verzögerungen zur Bearbeitung der aktuell laufenden Überprüfungsanträge, Widersprüche und Klagen.
Trotzdem warten viele behinderte Menschen und ihre Familien inzwischen seit über vier(!) Jahren auf die Umsetzung ihrer Rechte.

Es stellen sich somit die Fragen:
Wozu wird eine Anweisung von Seiten des BMAS überhaupt noch für notwendig erachtet?
Wenn diese notwendig ist, warum wurde diese dann noch immer nicht erlassen?
Wann ist mit dieser Anweisung – egal ob nötig oder unnötig – zu rechnen?

Weitere Informationen:

Vorenthaltene Selbständigkeit

Arm, ärmer, behindert

Der Wortlaut des BMAS-Rundschreibens