Die Interessengemeinschaft Inklusives Wohnen wurde 2012 gegründet zur Förderung von Inklusiven Wohnformen außerhalb der Heimunterbringung für Menschen mit Behinderung. Bis heute kämpfen wir Eltern für die Umsetzung und Finanzierung des Wohnprojektes.
In vielen Regionen haben Menschen mit schwersten Behinderungen und hohem Hilfe- und Betreuungsbedarf seit vielen Jahren keine Wahlmöglichkeiten, wo und mit wem sie wohnen wollen. Die Bewohner werden nach Art und Schwere der Behinderung oder nach ihrer Arbeitsfähigkeit (in der WfbM) in verschiedenen Einrichtungen separiert. Kleine, heterogene Wohnformen sind für Menschen mit hohem Hilfe-/Betreuungsbedarf gar nicht oder nur selten vorhanden, und sie sind auch nicht im Blick- und Planungsfeld der Entscheidungsträger.
Wir, die IG-Inklusives-Wohnen, streben eine ambulante Versorgung innerhalb einer kleinen Wohngemeinschaft an und wollen damit altersgemäße Lebensumstände außerhalb der pflegerisch orientierten Versorgung ermöglichen.
Bei den ersten gemeinsamen Besprechungen zeigte sich, dass sich viele Familien für ihre Kinder mit höherem Hilfebedarf inklusive Wohnformen wünschen – aber auch, dass Eltern von leichter behinderten Kindern ein Zusammenleben mit schwerstbehinderten Menschen ablehnen. Vier Familien haben sich dennoch zusammengeschlossen und wollen für ihre Töchter, die jetzt zwischen 34 und 57 Jahre alt sind, möglichst bald ein neues, eigenes Zuhause schaffen.
In Kooperation mit einem Einrichtungsträger und dem zuständigen Sozialhilfeträger soll(te) ein nachahmenswertes Wohnprojekt erarbeitet werden, das auch in anderen Regionen umsetzbar ist. Die juristischen und bürokratischen Hürden auf dem Weg dorthin sind jedoch vielfältig und erscheinen unüberwindbar.
Die Finanzierung der Wohngemeinschaft soll über ein trägerübergreifendes Persönliches Budget der BewohnerInnen erfolgen. Ansprechpartner ist hier der Sozialhilfeträger. Da es um ein „neues Anliegen“ geht, baten wir um ein Treffen mit allen potentiellen Kostenträgern, um die bestehenden Fragen zu klären.
Stattdessen stellte man alle möglichen und unmöglichen Anforderungen an uns. Unterlagen wurden wiederholt angefordert, obwohl wir diese bereits Monate zuvor eingereicht hatten. Zahlreiche Gespräche und Kontakte fanden statt, ohne dass eine konkrete Lösung absehbar war.
Nach zwei Jahren legte der Sozialhilfeträger ein Angebot für das Persönliche Budget vor, das trotz der umfangreichen Begutachtungen den Hilfebedarf unserer Töchter nicht abdecken würde. Wir zogen dann einen Anwalt zur Unterstützung hinzu.
Gleichzeitig schrieben wir PolitikerInnen aus der Region an und baten um Unterstützung. Bei einem Gespräch weckten diese große Hoffnungen bei uns, den betroffenen Familien. Aber auch hier blieben die zugesagten Rückmeldungen aus, die Hoffnungen wurden enttäuscht. Was übrig blieb, war eine erneute Verzögerung.
Nach knapp zwei Jahren wurde auf Anforderung unseres Anwaltes die lange erbetene Budgetkonferenz einberufen. Das ernüchternde Ergebnis: ein Weiterkommen könne nur durch eine gerichtliche Klärung erfolgen. Gleichzeitig forcierten wir die Suche nach einem geeigneten Wohnraum. Hier hatten wir eine ideale Lösung vor Augen. In einem Haus, das komplett von einem Einrichtungsträger angemietet werden soll, werden verschiedene Maßnahmen angeboten. Das Erdgeschoss dieses Hauses soll nach Rücksprache mit den Eltern der künftigen BewohnerInnen geplant werden, um deren Bedürfnisse berücksichtigen zu können. Aber auch hier gibt es wieder Verzögerungen durch ausbleibende Rückmeldungen und das halbherzige und mutlose Vorgehen der Verantwortlichen.
Eine weitere gesetzliche Hürde gibt es bei Wohngruppen, deren BewohnerInnen ständige Betreuung und Aufsicht benötigen in der rechtlichen Einordnung (stationär/ ambulant). Aus dieser Einordnung ergeben sich zudem bauliche und personelle Anforderungen sowie eine mögliche Zuständigkeit der FQA (früher: Heimaufsicht). Nach einem „Hilferuf“ an einige zuständigen Stellen wurde uns vom Bayerischen Staatsministerium für Pflege und Gesundheit die Förderung eines Modellprojekts mit wissenschaftlicher Begleitung angeboten. Dies wurde von der Regierung Unterfranken befürwortet und vom Lebenshilfe-Landesverband unterstützt. Aber leider wurde dieses Angebot vom Einrichtungsträger abgelehnt, weil Ressourcen zur Umsetzung fehlen würden. Wir Eltern suchen weiterhin nach einer Lösung.
Es entsteht der Eindruck, dass bei einem Teil der Entscheidungsträger an einer gemeinsamen Lösung und an einem Fortschritt in der Sache selbst kein Interesse besteht.
Die Rat- und Hilflosigkeit, wie man diesem spürbaren Unwillen, diesen Verzögerungen und Verhinderungen begegnen kann, wird immer größer. All diese Schwierigkeiten stellen uns Eltern vor sehr große Probleme, die wir neben der langjährigen Betreuung und Pflege unserer Töchter bewältigen müssen. Das Gefühl, seit Monaten und Jahren gegen Wände zu reden und zu rennen, ist zermürbend.
Dazu kommt noch, dass offensichtlich jede kleine Gruppe für sich alleine kämpft. Gruppen von Eltern, die durch die jahrzehntelange Pflege und Betreuung ihrer schon erwachsenen Kinder enorme Belastungen tragen. Wie es mit unserem geplanten Projekt genau weitergeht, wissen wir – wieder einmal – nicht.
Der Beitrag von Inge Rosenberger wurde in der Zeitschrift KINDERSpezial des Kindernetzwerks (Nummer 59 / Winter 2017/2018) veröffentlicht und gibt den Stand vom 13.11.2017 wieder